Ende der 20er Jahre wurde sie gebaut, die kleine Stadt in der Stadt, gelegen zwischen Osterbek- und Goldbekkanal, geplant vom damaligen Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Klinkerbauweise mit rotem Backstein natürlich, wie fast alles von Schumacher. Modern sollte es sein, hell, freundlich, familiengerecht, mit Küche, Bad, grünen Plätzen und Innenhöfen, in der Nähe des ebenfalls unter Schumachers Ägideentstandenen Stadtparks - und dazu bezahlbar. Moderner Städtebau als Antwort auf die Wohnungsknappheit und die schlechten Wohnbedingungen in dieser Zeit. Die besten Architekten der Stadt sollten sich einem Wettbewerb stellen, fünfzehn Architekten bzw. Architekturbüros waren am Ende beteiligt, u.a. Schumacher selbst, der die Schule Meerweinstraße entwarf. Die günstigen Mieten sollten dann allerdings den Mitgliedern der Baugenossenschaften vorbehalten bleiben, Qualität hatte auch damals schon ihren Preis.
Achtzig Jahre später, inzwischen unter Milieu- und Denkmalschutz, bröckelt der Backstein langsam vor sich hin, sind die Eckgeschäfte in der Jarrestadt fast alle verschwunden, die kleinen Schaufenster mit vergilbten Gardinen verhängt, der nächste Supermarkt außerhalb der Siedlung. Was damals modern und geräumig erschien ist heute überholt, Bad, Küche, fließend Wasser sind Standard und zwei bis zweieinhalb Zimmer mit 50 bis 60 qm² Wohnungsgröße eher was für Singles, Pärchen oder Alleinerziehende.
Auf den ersten Blick erschien mir die Jarrestadt nie besonders attraktiv, fährt man an diesen dunklen Backsteinklötzen vorbei, möglichst auch noch im Winter oder bei anderen schlechten Wetterbedingungen, wirkt das nicht besonders einladend. Erkundet man das Areal bei Sonnenschein zu Fuß sieht das schon ganz anders aus. Es ist sehr grün und es ist vor allem sehr ruhig im Gewirr der vielen kleinen Einbahnstraßen, da merkt man erst was kein Durchgangsverkehr ausmachen kann. Es ist auch, den fünfzehn Architekten sei Dank, nicht das befürchtete langweilige Bauklotzsystem modernerer Siedlungen, sondern eine fabelhaft rundeckigverwinkeltgerade Mischung. Man kann also auch in Legosteinbauweise durchaus abwechslungsreiche Gebäude und Fassaden gestalten.
Fotos: Hamburg Winterhude, Jarrestadt, Kranzhaus der Schiffszimmerergenossenschaft
Musik: Nils Petter Molvær - Khmer / Hamada