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Stadtansichten: Sankt Pauli (Teil 3)

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Der Kiez bei Nacht, das ist wahrscheinlich für 90% der Touristen alles, was sie von diesem Stadtteil zu sehen bekommen. Wenn man schon mal in Hamburg ist muss man natürlich auf die Reeperbahn und sich das weltberühmte Rotlichtviertel ansehen, aber kaum haben sie sich aus der trügerischen Sicherheit ihrer Reisebusse oder Hotels begeben, werden sie ein leichtes Opfer übler Kaschemmen, in denen sich leicht bekleidete Damen teuren Sekt ausgeben lassen. Die Opfer findet man manchmal bewusstlos in dunklen Ecken oder zornbebend auf der Davidwache wieder, einige nehmen es sportlich und besuchen danach das Millerntor.

Heute treten Touristen gerne in geballten Horden auf. Wenn irgendwo ein Menschenauflauf rücksichtslos den Weg versperrt, steht inmitten der Menge meist ein mehr oder weniger lustig gekleideter Mensch und erzählt Anekdoten. Kiezführungen sind total in Mode, am besten noch mit einer aus Funk- und Fernsehen bekannten Kiezgröße wie Olivia Jones oder Inkasso Henry. Steht zu fortgeschrittener Stunde kein lustig gekleideter und Anekdoten erzählender Mensch in der Menge, ist es wahrscheinlich eine Schlägerei mit Zuschauern. In diesem Fall einfach weiträumig umgehen.

Im Allgemeinen ist es auf dem Kiez nicht sonderlich gefährlich, wenn man sich an die Gehtmichnixanregel hält und üble Spelunken meidet. Auch Luden werden hier nur alle paar Jahre mal vom Barhocker geschossen, und dann auch nur weil sie Luden sind.
An manchen Tagen ziehen zur Unterhaltung der Anwohner bewaffnete Horden durch die Straßen, aber darüber wird man gottlob vorher informiert, dann ist Sankt Pauli ganz offiziell "Gefahrengebiet". Eine tolle Gemeinschaftsaktion unserer Polizei, unseres Bürgermeisters Olaf Barnabas Schilz und seines Innensenatogenerals Noimann von der FCK SPD, die jedem Junggesellenabschied erst den richtigen Kick verleiht. Leider hat der Tourismusverband diesen geschickten Schachzug nicht verstanden, daher ist eine Wiederholung des Events zur Zeit fraglich.

Es gibt jede Menge gute Kneipen auf dem Kiez, für jede Nase ist etwas dabei, nur halt nicht unbedingt auf der Reeperbahn. Die wahren Perlen liegen abseits, in Ecken, in die sich Touristen selten verirren. Leider sterben diese Perlen häufig ähnlich schnell wie die schlechten Stripschuppen, aber eigentlich war das hier immer so. Ein paar gute Läden und ein paar schlechte Stripschuppen werden überleben.

Der Kiez bei Nacht ist ohnehin alles, was die überwiegende Anzahl der Touristen vom Stadtteil sehen wird. Wahrscheinlich ist das auch ganz gut so.

Musikalische Spätschichtverlängerung: Kyuss - Blues For The Red Sun / Welcome to Sky Valley
Alle Kiezfotos Nikon D90 Freihand, Domfoto Canon Powershot A620

























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