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Wir fahr'n fahr'n fahr'n mit der Straßenbahn

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Eine der Attraktionen des Hafens ist die seit 1913 in Betrieb befindliche Straßenbahn nach Sóller, die ihre Existenz eigentlich nur finanziellen Zwängen verdankt. Da es staatliche Subventionen damals nur für Strecken ab 30 Kilometer gab, hat man die nur unwesentlich kürzere Bahnstrecke zwischen Palma und Sóller kurzerhand durch die "Tranvia de Sóller" verlängert.

Waren diese Bahnen ursprünglich zum Transport von Orangen nach Palma gedacht, sind sie heute nur noch für die Beförderung von Touristen zuständig, was zeitweilig zu drangvoller Enge führen kann. In solchen Fällen wartet man einfach eine halbe Stunde ab, bis die von Reiseleitern geführten Touristenhorden wieder verschwunden sind, was bei dem Angebot von Restaurants und Bars in Bahnhofsnähe nicht weiter problematisch ist, selbst das alte Bahnhofsgebäude ist inzwischen ein Tempel der leiblichen Genüsse.

Da ohnehin ein Besuch von Sóller auf dem Plan steht, nehmen wir natürlich die Gelegenheit wahr und fahren mit. Sieben Euro kostet die einfache Fahrt, das Ticket löst man beim Schaffner an Bord, das Personal geht durch. Wir hingegen bleiben sofort da stehen wo wir eingestiegen sind, denn fotografieren lässt es sich ganz sicher am besten, wenn man einfach eine der Plattformen in Beschlag nimmt. Prügeln will sich aber glücklicherweise niemand um die guten Plätze, der normale Tourist sitzt lieber und hält sein Handy dabei aus dem Fenster.

Die Bahn zuckelt entlang der Hafenpromenade bis zur Ctra. Puerto Sóller und folgt eine ganze Weile dem Verlauf der Hauptsraße, bis sich die Wege trennen und wir zwischen Häusern, Vorgärten und wild in der Gegend wachsenden Orangenbäumen durchgeschüttelt werden, mit streckenweise fast unverbautem Blick auf die Gebirgskette der Serra de Tramuntana. Die atemberaubende Geschwindigkeit von max. 30 km/h sollte allerdings nicht zum Leichtsinn verleiten, zu sehr wackelt dieses alte Gelöt auf den Schienen herum. Insbesondere wenn man auf der offenen Seite der Plattform steht, ist ein ums Geländer geknoteter Arm beinahe Pflicht um einen unfreiwilligen Abgang zu verhindern.

Während ich noch über die Fähigkeiten meiner Bildstabilisierung bei dem fürchterlichen Gewackel sinniere, entdeckt der Pappenheimer ein schmales Bändchen an der Decke, dass durch den ganzen Zug läuft. Wenn man daran zieht bimmelt es lustig, das kennt er noch aus Darmstädter Zeiten. Leider fällt ihm erst nach dem dritten lustigen Gebimmel ein, dass das wahrscheinlich ein Haltesignal für den Zugführer ist. Der hat allerdings spätestens nach dem zweiten Gebimmel auf offener Strecke erkannt, dass nur irgend ein dusseliger Tourist dieses Bändchen entdeckt hat und stellt seine Bremsversuche für die restliche Strecke ein, solange keine Haltestelle in unmittelbarer Nähe ist.

So gelangen wir noch innerhalb der veranschlagten 30 Minuten nach Sóller, steigen mitten in der Stadt am Plaça de sa Constitució aus, stolpern in das nächste Café, laufen den restlichen Nachmittag planlos durch die Stadt, verpassen aus Unkenntnis wahrscheinlich attraktive Ecken oder alte Olivenölmühlen und können selbstverständlich auch keine anständigen Fotos von der Església de Sant Bartomeu machen, weil ein Gerüst zwar immer zu solchen Kirchen gehören muss, aber eine große Plastikplane über der (von einem Schüler Gaudis gestalteten) großen Fensterrose den Spaß dann doch zu sehr verdirbt, aber das ist eine andere Geschichte...

Dafür entschädigt die Rückfahrt im fast leeren letzten Waggon und die Aussicht auf das "goldene Tal", dass seinen Namen im Abendlicht auf jeden Fall verdient hat.


Fotos dazu: Tranvia de Sóller, Nikon D7200
Getränk dazu: Black Swan, Arnsberg Dry Gin, Limette, Schweppes Dry Tonic
Musik dazu: Legend - Red Boot Album / Mickey Jupp - Juppanese / Long Distance Romancer


















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