Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkrankten über 16.000 Menschen in Hamburg an der Cholera, etwa die Hälfte davon hat das nicht überlebt. Eine der nachfolgenden Maßnahmen war der Abriss des Gängeviertels, in dem ganz besonders schlechte hygienische Bedingungen herrschten, ein anderer war der Bau einer Filtrationsanlage auf der Elbinsel Kaltehofe, die 1893 in Betrieb ging und fast 100 Jahre lang ihre Arbeit verrichtete. Das zwei Jahre zuvor gegründete Hygienische Staatsinstitut bezog den Neubau einer Villa auf dem Gelände, um die Wasserqualität ständig kontrollieren zu können. Nach der Sturmflut 1962 war Kaltehofe trotz Überflutung das einzige Wasserwerk, dass nach wenigen Wochen wieder unbedenkliches Wasser liefern konnte, während alle anderen Wasserwerke über Monate ausfielen oder Totalschaden zu vermelden hatten.
1990 wurde der Betrieb eingestellt und das Gelände fiel für zwanzig Jahre in eine Art Dornröschenschlaf, nicht zugänglich für die Öffentlichkeit. Heute ist es Industriedenkmal, Museum und Naturschutzgebiet. In der Villa des Hygienischen Instituts gibt es ein Café, in dem man als durstiger Wanderer sogar kostenlos mit Hamburger Wasser versorgt wird, wenn man sich nicht für eine andere der vielen Wassersorten entscheiden kann. Ich entscheide mich für Elbwasser, das leider mit der unsäglichen Amibrause hergestellt wird, aber immerhin ist es kalt. Die Karaffen mit dem kostenlosen Nass sehen doch sehr nach Zimmertemperatur aus.
Nach der Pause erkunde ich das Gelände. Eines der Becken soll für Modellschiffe vorgesehen sein, aber das Becken im Stadtpark liegt für so ein Hobby einfach zentraler, hier lässt niemand Schiffchen schwimmen. Seit vier Jahren ist ein Viertel des Geländes Park und Ausflugsziel, der Rest ist Gehölz, Gewässer, Feuchtgebiet und bleibt der Natur überlassen. Über vierzig Vogelarten, sieben verschiedene Arten von Fledermäusen und Libellen, Lurche, Molche, Kröten und fast fünfzig auf der roten Liste stehende Pflanzen, für Ornithologen und andere Tierknipser sicherlich ein Paradies, wenn man genug Geduld mitbringt und die richtigen Standorte kennt. Nur der Fischbestand in den Becken soll dürftig sein, was ein paar Kormorane aber nicht davon abhält auf den Schieberhäuschen zu lauern. Bei meinem Glück werden alle Libellen in unerreichbarem Gebiet landen, daher versuche ich es gar nicht erst auf irgend etwas zu lauern.
Vielleicht beim nächsten Mal, wenn ich dafür nicht zweieinhalb Stunden über den Deich latschen muss.
FotoKunstWerk: Schieberhäuschen und Villa, Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe, Hamburg
BrauKunstWerk: Firestone Walker Union Jack IPA, 7.5%.
MusikKunstWerk: Neil Young & Promise Of The Real - The Monsanto Years