Als in den Wohnzimmern noch Flimmerkisten mit maximal 60 Zentimetern Bildschirmdiagonale standen, die Programmauswahl sich auf drei oder vier Sender (inklusive Regionalprogramm und schwarzweißem Ostfernsehen) beschränkte und man die großen aktuellen Filmhits (mit viel Glück) frühestens zehn Jahre nach ihrem Erscheinen im Oster- oder Weihnachtsprogramm erwarten durfte, da war Kino noch ein echtes Erlebnis. In jedem Stadtteil gab es mindestens eins, mit klangvollen Namen wie Schauburg, Titania Theater, Metropol Lichtspiele oder Film-Palast.
Paläste waren es nicht gerade, verglichen mit den heutigen Sälen und ihren gigantischen Leinwänden, ausgeklügelten Soundsystemen und abgestuften Sitzreihen, waren es eher muffige Höhlen mit vergilbten Lampen an der Wand und durchgesessenen Polsterklappsitzsesseln, von denen man nur dann einen ungetrübten Blick auf die Leinwand hatte, wenn in den zwei bis drei Reihen davor niemand saß der größer war als eins sechzig. Statt elend lange für eine Popcorn-Cola-Sparcombi für zehn Euro anzustehen kam zwischen Werbung und Hauptfilm ein Eisverkäufer in den Saal, um für zweimarkfuffzig das beliebte Eiskonfekt von Langnese zu verkaufen, eine wahrscheinlich eigens für Kinos eingeführte Spezialität, die man auch im Dunkel des Kinosaales problemlos vernaschen konnte ohne die Sitze zu bekleckern.
Unser Palast war das Bach-Theater in Rahlstedt, das jeden Sonntag für unglaubliche 50 Pfennig die krassesten Abenteuer für Kinder und Jugendliche bot, angefangen bei Winnetou und seiner alten Schmetterhand über alle möglichen Römerschlachten mit und ohne Herkules, bis zu den gruseligen Sci-Fi Klassikern aus der japanischen Trickkiste. Godzilla gegen Mechagodzilla, Godzilla gegen Frankenstein, Godzilla gegen die kaiserlich-japanische Spielzeugpanzerarmee, unglaublich viele Invasionen aus dem Weltall, Planeten mit unsichtbaren Vampiren, jedes Wochenende ein weiteres Meisterwerk der Gruselkunst für 12jährige.
Das war wohl auch die Haupteinnahmequelle, denn wer den neuen James Bond sehen wollte musste auch damals schon in die "großen" Kinos der City fahren, die Erstverwertung von Blockbustern konnte sich kein Vorstadtkino leisten. Wir sind als Haupteinnahmequelle irgendwann weggebrochen, entweder weil wir zu alt wurden für den Kinderkram, oder zu anspruchsvoll. Die ausgelutschten Klamotten mit Terence Hill und Bud Spencer waren jedenfalls nicht lustig genug und die aufkommende Welle an dämlichen asiatischen Kung Fu Kloppern gab uns dann den Rest.
Unseren Stammkinos ebenfalls, das Bach-Theater ist heute ein Einkaufszentrum, die Tina-Lichtspiele ebenfalls. Stadtteilkinos gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, die wenigen die das große Kinosterben überlebt haben nannten sich schon damals "Programmkino" und sprachen mit ihrem Programm eher den anspruchsvollen Cineasten an. Der Rest geht für den neusten Blockbuster ohnehin in den Bombastmultiplexdolbysurroundsaal mit THX und 3D.
Ein ähnliches Schicksal dürfte auch die Eden Lichtspiele in Lübeck getroffen haben, von denen ich noch ein paar Überreste gefunden habe. Dem Denkmalschutz ist es zu verdanken, dass auch das Innenleben noch existiert. Es fehlt nur noch ein renovierungsfreudiger und solventer Investor, dann kann es wieder losgehen. Mit Godzilla im Sonntagvormittagsprogramm für 50 Cent ist das aber wohl nicht zu finanzieren.
Foto: Eden Lichtspiele Lübeck
Musik: Stevie Ray Vaughan & Double Trouble - Live at Montreux 1982/85